Unterschiedliche Hochrechnungen: Durchblick im Tarifdschungel
11. Oktober 2022 | Hochrechnungen sind ein wichtiger Bestandteil der Beratung in der Altersvorsorge. Ein Kunde möchte wissen, mit welcher Leistung er voraussichtlich nach der Ansparphase seiner Rentenversicherung rechnen kann. Und die Anbieter sind zu einer Darstellung der prognostizierten Ablaufleistung verpflichtet. Meist werden von den Anbietern mehrere Szenarien in den Angeboten ausgewiesen – z.B. mit 3, 6 und 9 % konstanter Wertentwicklung. Die zugrundeliegende Kalkulationsmethoden können aber unterschiedlich sein und haben einen großen Einfluss auf die Ergebnisse, insbesondere bei fondsgebundenen Altersvorsorgetarifen mit Garantiekomponente. Hier liefern stochastischen Hochrechnungen deutlich bessere Chance-Risiko-Informationen. Und leicht verständlich sind die Ergebnisse auch.
Eine Modellrechnung kann dabei nach Brutto- oder Nettomethode erfolgen
Die Nettomethode berücksichtigt nicht alle Kosten, sondern die Modellrechnung verwendet die Wertentwicklung der Fondsanlage nach Abzug der Fondskosten. Zur Wertentwicklung werden zusätzlich die fondsabhängigen Überschussanteile (Kickbacks) addiert und die gesamten Versicherungskosten abgezogen. Unberücksichtigt bleiben normalerweise nur die auf das Sicherungskapital bezogene Eigentümer-Beteiligung und die kollektiven Kapitalanlagekosten.
Bei der Bruttomethode wird die Wertentwicklung vor Abzug der Fondskosten betrachtet, die Fondskosten also zusätzlich berücksichtigt. Häufig wird in diesem Zusammenhang von einer realistischeren Methode gesprochen, da sämtliche Kosten berücksichtigt werden.
Bei gleicher Wertentwicklung ergeben sich für die Brutto- und die Nettomethode unterschiedliche Ablaufleistungen. Für den gleichen Fonds ist die Brutto-Ablaufleistung immer geringer als die Netto-Ablaufleistung.
Kundenindividuelle stochastische Simulationen in Echtzeit sind die Zukunft der Beratung.
Der Fonds entscheidet mit
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Wahl des Fonds. Egal, ob Aktienfonds, Mischfonds, Rentenfonds, ETF oder Indexnachbildung, in die Hochrechnung fließen die vorgegebene Wertentwicklung, die Fondskosten und die fondsabhängigen Überschussanteile ein. Damit ergeben sich für einen ETF im Vergleich zu einem „normalen“ Aktienfonds höhere Ablaufleistungen bei der Bruttomethode. Bei der Nettomethode fehlen dem ETF die Kickbacks – hier ergeben sich beim Aktienfonds höhere Ablaufleistungen.
Und wie wird das Sicherungsvermögen hochgerechnet?
Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Berücksichtigt der Versicherer für die Verzinsung des Sicherungsvermögens die aktuelle Deklaration oder rechnet er das Sicherungsvermögen mit der gleichen Wertentwicklung wie das Fondsguthaben hoch (GDV-Methode)? Die Ablaufleistungen unterscheiden sich je nach Methode bei höheren Wertentwicklungen deutlich.
Worauf sollte man achten?
Die unterstellte Wertentwicklung sollte zur ausgewählten Fondsanlage passen – so wird beispielsweise ein Rentenfonds mit großer Wahrscheinlichkeit keine Wertentwicklung von 6 % oder höher erzielen. Verwende die Bruttomethode, da hier auch die Fondskosten berücksichtigt sind.
Achte auf die Qualität der Fondsanlage – ein kostengünstiger ETF muss nicht die beste Wahl sein. Und lies die Angebote sorgfältig durch – wie wird das Sicherungsvermögen in der Hochrechnung verzinst?
Oder doch stochastische Simulationen?
In der Realität gibt es keine konstanten Wertentwicklungen! Der Kapitalmarkt schwankt. Moderne Rentenversicherungsprodukte sind hochkomplex und reagieren äußerst sensitiv auf diese Schwankungen. Sie managen die Schwankung, um maßgeschneiderte Garantien und Chance-Risiko-Verhältnisse zu liefern. Die tatsächlichen Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken eines Tarifs werden ausschließlich mit realitätsnahen Kursverläufen deutlich. Denn genau hierfür sind die Produkte entwickelt worden. Unter den Laborbedingungen einer Berechnung mit konstanter Wertentwicklung kann ein dynamischer Hybridtarif zu einem rein fondsgebundenen Tarif werden.
Daher ist es nur logisch, von den bisherigen Hochrechnungsmethoden als Vergleichsgröße Abstand zu nehmen: Der neue Standard ist die stochastische Simulation. Darunter versteht man die Ermittlung von 10.000 zufälliger Kapitalmarkt-Szenarien und die Verwendung dieser Szenarien in den Hochrechnungen. Die dadurch entstehende Verteilung gibt Aufschluss darüber, welche Chancen und Risiken ein Tarif bietet und welche Tarifkonstellationen für den Kunden passend sind.
Kundenindividuelle stochastische Simulationen in Echtzeit sind die Zukunft der Beratung.
Wenn man die Renditepotentiale kennt…
…wird alles mit allem vergleichbar und alles einschätzbar.
Ein Artikel von Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik