Nachhaltige Lebensversicherungen - Quadratur des Kreises?
30. November 2021 | Die deutschen Lebensversicherer tun sich schwer damit, ihre Kapitalanlagen und ihre Produkte an ESG-Kriterien anzupassen. Dazu kommen immer neue regulatorische Anforderungen. Vorsorgeprodukte unter Mitwirkung eines Sicherungsvermögens dürften nach der seit 10. März geltenden Offenlegungsverordnung streng genommen nicht als nachhaltig (Art.8) klassifiziert werden. Das gilt auch dann, wenn die besparten Investmentfonds als nachhaltig klassifiziert sind. Denn das Sicherungsvermögen der Versicherer ist eben (noch) nicht ESG-konform und erfüllt nicht die Kriterien für Artikel-8- oder Artikel-9-Produkte, denn sie enthalten zum Großteil Wertpapiere, die nach aktuellem Stand in der neuen Verordnung nicht als ESG-konform eingestuft werden. Das gleiche gilt übrigens meist auch für die sogenannten Wertsicherungsfonds im Konzept des dynamischen 3-Topf-Hybridmodells bei der fondsgebundenen Police.
Eine Möglichkeit ist, dass Versicherer wie Stromkonzerne agieren. Diese schöpfen aus einem Mix aus konventionellen und erneuerbaren Energiequellen, was aber eine nicht ganz saubere Mischkalkulation ist. Die Versicherer könnten auf ihren ESG-konformen Teil des Sicherungsvermögens verweisen und dem Kunden erklären, dass beispielsweise die nachhaltige Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nur aus diesem Teil ihre Beiträge zieht. Problematisch wird das jedoch bei der Renditeberechnung, denn dafür wird das komplette Sicherungsvermögen zugrunde gelegt und nicht nur der nachhaltige Teil. Nach der Transparenzverordnung aber muss auf das Gesamtprodukt eine Aussage zur Nachhaltigkeit gemacht werden. Schneller gehen könnte es, wenn neben dem bestehenden Sicherungsvermögen ein zweiter, ESG-konformer Deckungsstock etabliert würde. Spannend bleibt wie die Bafin dies werten wird.
In anderen europäischen Ländern gibt es schon Versicherer, die einen ESG-konformen Deckungsstock aufbauen und mit diesem dann auch die Rentenphase entsprechend nachhaltig abbilden könnten. Für deutsche Versicherer stellt sich deshalb die Frage, wie sie künftig mit ihrem Deckungsstock umgehen sollen: Zum einen stellt er mit den zum Teil hochverzinsten Altpapieren das Fundament dar, um die Garantieverpflichtungen der Vergangenheit zu finanzieren. Zum anderen ist er ein zentrales Hindernis bei der Transformation des Geschäftsmodells zu mehr Nachhaltigkeit.
Für deutsche Versicherer stellt sich die Frage, wie sie künftig mit ihrem Deckungsstock umgehen sollen.
Aus Investmentsicht ist zu empfehlen, eine fondsbasierte Lösung für ESG-Policen zu konstruieren, damit man nicht auf den Deckungsstock zurückgreifen muss, um eine Rentenbezugsphase abzubilden. Zudem sollte man das Zeitfenster für den Aufbau eines ESG-konformen Deckungsstocks nutzen. Es ist irritierend, dass es im deutschen Markt bei diesem Thema noch sehr ruhig ist. Viele unterschätzen die Geschwindigkeit, mit der ESG-Kriterien zum Mainstream werden und das Produktangebot künftig dominieren.
Ab dem 2. August 2022 müssen Anlageberater dann in ihrem Beratungsgespräch die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen. Darin muss festgestellt werden, welche Finanzprodukte für die nachhaltige Geldanlage ihres Kunden einbezogen werden sollen. Im Fokus stehen vor allem Lösungen nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung. Stimmt ein Finanzprodukt nicht mit den geäußerten Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden überein, darf der Berater keine Empfehlung aussprechen, die ihn an den Rand einer Falschberatung bringt.
Mit Blick auf den Deckungsstock der Versicherer ist eine schnelle Umsetzung der Transparenzverordnung fraglich. Das Sicherungsvermögen der Versicherer wird von einem Aktuar – einem Treuhänder gegenüber der Aufsicht durch die Bafin – überwacht. Investitionen dürfen nur im Rahmen qualifizierter, d.h. deckungsstockfähiger Kapitalanlagen getätigt werden, um die Erfüllbarkeit der bestehenden Verträge zu gewährleisten. In der Regel fallen darunter konservative und lang laufende Anlagen wie z.B. Staatsanleihen oder Immobilien. Wenn sich hier beispielsweise US-Treasurys im Depot befinden, droht ein Konflikt mit den ESG-Kriterien, etwa aufgrund der in den USA geltenden Todesstrafe. Konflikte gibt es auch innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten beim Umgang mit Atomkraft – CO2 neutral oder Ausschlusskriterium bei einem ESG Investment. Während z.B. die Kernenergie in Großbritannien und Frankreich als „grün“ anerkannt wird, gibt es hierzu in Deutschland deutlich abweichende Auffassungen. Die Auseinandersetzung dazu läuft in Brüssel bereits intensiv.
Globale Diversifizierung ist der erste Schritt zur Lösung
Eine schlüsselfertige Lösung gibt es zurzeit nicht. Während der Gesetzgeber darauf vertraut, dass Versicherer und Berater bis August 2022 eine ESG konforme Produkt- und Beratungswelt erstellen werden, ist es die Aufgabe der Finanzwirtschaft, sich bestmöglich auf dieses Datum vorzubereiten. Ein Schritt dahin ist eine möglichst breite Aufstellung der Anlagen. Diese sollten nicht nur nach Assetklassen, sondern auch geographisch breit diversifiziert sein. ESG im Anlageprozess umzusetzen, heißt vor allem ESG-Risken herauszufiltern. Dies kann nur ein global aufgestelltes Portfolio erreichen. Gelingt dies nicht, werden Beratungsgespräche ab August 2022 nach dem Schema ablaufen, was kann ich dem Kunden anbieten – ESG konform oder nicht? Und dann, bin ich mit genug ESG konformen Produkten als Vermittler bestückt?
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