Arbeitskraft Absicherung abseits der Ratingfragen
09. Juni 2021 - Heute möchte ich über einige Punkte der Arbeitskraftabsicherung sprechen, die vielleicht nicht ratingrelevant in unseren M&M Ratings sind, die aber trotzdem Beachtung in der Beratung von Versicherungsnehmern finden sollten. Unser M&M Office ist ein sehr umfangreiches Tool, das dem Anwender viele Möglichkeiten an die Hand gibt, die Versicherer und die Versicherungsprodukte von vielen Seiten zu betrachten und zu analysieren. Um seine volle Wirkung zu entfalten, bedarf es aber immer den kompetenten Anwender, der die abstrakten Analysen, Zahlen, Daten und Fakten konkret auf die einzelne zu beratende Person anwendet. Von diesen Experten gibt es reichlich und wir bekommen in vielen interessanten Diskussionen mit unseren Anwendern immer wieder hilfreiche Informationen, wie wir unser M&M Office verbessern und weiterentwickeln können.
Im Bereich der Arbeitskraftabsicherung führen wir auch immer wieder Gespräche zu Themen, die sich eben nicht in eine Ratingfrage pressen lassen und trotzdem von Bedeutung sind. Nehmen wir zum Beispiel das Thema der Nachversicherungsgarantien. Zu dieser Thematik haben wir bereits einige Rating- und Analysefragen. Um das ganze Thema rund um die eigentliche Nachversicherung haben wir eine Analysefrage, die nicht ratingrelevant ist, aber trotzdem höchst relevant.
Nachversicherungsrente
So ist es neben den einzelnen Ereignissen der Nachversicherung von Bedeutung, bis zu welcher Rentenhöhe ich meinen Vertrag nachversichern kann. Standardmäßig sehen die Versicherer eine Erhöhungsmöglichkeit bis zu einer monatlichen Rente von 2.500 EUR vor. Vor dem Hintergrund, dass Arbeitskraftabsicherungs-Policen über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten abgeschlossen werden, ist es leicht vorstellbar, dass diese Grenze schnell erreicht werden kann. Einige Vermittler gehen aus diesem Grund dazu über, einen Versicherungsnehmer schon anfänglich mit zwei kleineren Verträgen auszustatten, um bei beiden Verträgen die Nachversicherungsgrenzen ausreizen zu können. Aber es gibt auch Versicherer, die Nachversicherungen bis zu einer Rentenhöhe von stattlichen 10.000 EUR Monatsrente zulassen.
Gesundheitsprüfung
Risikoprüfung
Auch ist es relevant, ob eine Nachversicherungsgarantie „nur“ auf eine Gesundheitsprüfung oder auf die gesamte Risikoprüfung verzichtet. Durch einen Berufswechsel kann ich in einer teurere Berufsgruppe geraten sein, wodurch ich für den Nachversicherungsvertrag deutlich mehr Risikoprämie zahlen müsste. Auch die sonstigen Rechnungsgrundlagen können sich zum Nachteil der einzelnen Versicherungsnehmer entwickeln, so dass die Prämie bei einer Nachversicherung überproportional steigen kann.
Über die Nachversicherung ließe sich gut und gerne ein eigener ganzer Artikel verfassen. Die Nachversicherung ist innerhalb einer Arbeitskraftabsicherung ein wichtiger Bestandteil, die die versicherte Person auf ihrem Lebensweg begleitet. Am Tag des Versicherungsabschlusses kann noch niemand sagen, wohin seine Reise die nächsten Jahrzehnte gehen wird. Daher ist es gut, sich bereits bei Vertragsabschluss eine hohe Flexibilität in Form von Nachversicherungsgarantien zu sichern.
Rentensteigerung durch Überschussbeteiligung
Die meisten am deutschen Markt erhältlichen Arbeitskraftabsicherungs-Versicherungen im Lebens-versicherungsbereich sind mit einer Überschussbeteiligung kalkuliert. Diese wird nicht nur in der Beitragszahlphase zugeteilt, sondern auch in der Leistungsphase durch eine – nicht garantierte – Steigerung der BU-Rente. Ein Prozentpunkt garantierte Rentensteigerung kostet in etwa einen Aufschlag auf die Prämie von 6-8 %. Es ist also eine werthaltige Sache, auch einmal einen Blick auf die Rentensteigerungen aus Überschussbeteiligung zu werfen. Es mag sogar eine Überlegung sein, zugunsten einer anfänglich höheren Rente auf eine garantierte Rentensteigerung zu verzichten. Insbesondere, wenn es sich bei dem Versicherungsnehmer um einen Angestellten handelt, der zusätzlich noch Ansprüche auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente hätte. Die garantierte Rentensteigerung kommt erst bei langjährigen Versicherungsfällen relevant zum Tragen. Bei langjährigen Versicherungsfällen dürfte aber auch die Chance hoch sein, dass die versicherte Person nicht nur berufs-, sondern auch erwerbsunfähig ist und somit Zugriff auf die erhöhte Absicherung in Form der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente hat.
Die Überschussdynamik im Leistungsfall findet wenig Aufmerksamkeit. Einerseits zurecht, da sie eben nicht garantiert ist, andererseits ist eine garantierte Rentensteigerung eine kostspielige Angelegenheit, woraus sich die Wertigkeit der Rentensteigerung aus Überschüssen nachvollziehen lässt.
Einsteigertarife
Einsteigertarife bieten sich immer dann an, wenn ein höherer Absicherungsbedarf mit dem entsprechenden Einkommen in der Zukunft erkennbar ist, aber das Einkommen noch nicht zur Verfügung steht. Meist steigen die Prämien bei gleichbleibender Absicherung dann zu festgelegten Zeitpunkten in ein oder mehreren Schritten. Eine Schwierigkeit besteht darin abzuschätzen, wie lange tatsächlich die „niedrigere Prämie“ benötigt wird. Insbesondere bei einem angehenden Studenten ist noch nicht absehbar, ob er acht, zwölf Semester oder durch einen Studienwechsel vielleicht noch länger studieren wird und deswegen ohne ein erhöhtes Einkommen dastehen wird. Hier wäre die Absicherung mit einer technisch einjährig kalkulierten Versicherung mit Wechselrecht innerhalb der ersten 10 Jahre in einen konstanten Beitrag ideal. Bei der technisch einjährig kalkulierten Versicherung zahlt man nur den Risikobeitrag für ein Jahr und bildet keine Altersrückstellung. Da das Risiko als junger Mensch z.B. berufsunfähig zu werden sehr gering ist, sind diese Beiträge sehr gering. Sie steigen jedoch jedes Jahr und würden die Beiträge eines konstant kalkulierten Vertrages im Laufe der Zeit deutlich übersteigen. Mit Eintritt in das Berufsleben und der damit verbundenen Einkommenssteigerung sollte daher zu diesem Zeitpunkt dann in einen konstant kalkulierten Tarif gewechselt werden. Leider bieten nur sehr wenige Versicherer diese Form des Einsteigertarifes an.
Ich würde mir wünschen, dass diese Form der flexiblen Einsteigertarife in Zukunft von noch mehreren Versicherern angeboten werden wird und diese auch auf Akzeptanz der Vermittler trifft.
Erwerbsunfähigkeits-versicherung
Die BU ist der Königsweg der Arbeitskraftabsicherung. Darüber dürften man sich grundsätzlich einig sein. Eine Frage, die mich beschäftigt ist, warum immer mehr Versicherer von ihren Erwerbsunfähigkeitsversicherungen (EU) Abstand nehmen. Die Antwort ist eigentlich einfach: Die EU wird zu wenig vermittelt. Dabei ist sie gerade in körperlich tätigen Berufen eine bezahlbare, sinnvolle und vollständige Arbeitskraftabsicherung. Alle anderen Produkte abseits der BU – wie z.B. Grundfähigkeiten-, Dread Disease- und Unfallversicherungen - bieten nur eine Ausschnittsdeckung einer Arbeitskraftabsicherung. Vielleicht ist es so, dass der Kunde eine Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität hat und er eine BU will oder sonst nichts. Vielleicht ist mit der Abschaffung der gesetzlichen BU und der Einführung der gesetzlichen EU, diese auch einfach nur in der Abgrenzungsdiskussion BU/EU zu schlecht davongekommen, so dass ihr jetzt - zu Unrecht - ein schlechtes Image anhaftet. Verständlich ist der Rückgang der Tariflandschaft in der EU jedenfalls nicht. Im Bereich der körperlich tätigen Berufe müsste die EU einen viel höheren Stellenwert genießen, da sie für diese Berufe finanziell stemmbar ist und die Arbeitskraft absichert.
Betriebliche Arbeitskraftabsicherung
Die Finanzierbarkeit der Arbeitskraftabsicherung in körperlich tätigen Berufen ist eine hohe Hürde. Ein sinnvoller Weg der Absicherung stellt daher die Möglichkeit da, diese in der Schicht 2 über den Arbeitgeber als Direktversicherung abzubilden. Natürlich ist eine dritte Peron in der Vertragsbeziehung immer komplizierter und auch die Abgaben und Steuern in der Leistungsphase müssen mit eingeplant sein, aber durch die deutlich geringere finanzielle Belastung durch die Beitragszahlung aus dem Bruttolohn lohnt es sich, diese Alternative in Betracht zu ziehen.
Fazit
Wie dargelegt gibt es auch abseits der Ratings viele Dinge zu beachten und viele Eventualitäten zu bedenken. M&M Office mit all seinen Berechnungsmöglichkeiten, Analysen und Ratings ist ein mächtiges Werkzeug, aber für den Endverbraucher ist es immer sinnvoll, sich eines erfahrenen Experten zu bedienen, der weiß, worauf es im Individuellen ankommt – auch Abseits unserer Ratinglandschaft.